Mittwoch, 30. September 2009
29. und 30.9.2009 - Schulalltag
Heute standen wieder Lieder, Spiele, das Theaterstück "An allem ist die Katze schuld" und eine Powerpoint-Präsentation am Programm, also nichts Spektakuläres. Damit die werten BLOG-Leser/innen (und Kommentarschreiber) nicht den Eindruck hätten, es gäbe nur Mädchen an diesen Schulen, hier der Beweis. Auf dem Foto seht ihr die sehr kleine Gruppe einer 10. Klasse, die erst seit 4 Wochen Deutsch lernt. Wie unschwer zu erkennen ist, bezeugen sie mir gerade, wie sehr sie den Unterrich bei mir genießen.
In einer Freistunde konnte ich mich von der guten Ausstattung der Schule überzeugen. Eine schöne Bibliothek, in der eine pensionierte Lehrerin arbeitet, moderne Küchen und Werkräume, ein Medienraum mit interaktiver Whiteboard, die aber praktisch nicht genutzt wird, etc.
Anschließend war ich dabei, wie Krista eine Stunde für die Kinder der 1. Klasse hielt, eine kleine Gruppe 7-Jähriger, die den sog. Deutsch-Zirkel besuchen. Es war sehr interessant zu sehen, wie motiviert und spielerisch die Kleinen an die Sprache rangehen, und man fragt sich zwangsläufig, wo der Knackpunkt für das in den nächsten Jahren ansteigende Desinteresse liegt. Wenn ich in die Gesichter mancher 9.-Klasser/innen sehe, die heuer abschließen, dann kann ich genau lesen, was sie so denken. Dann brachte sie Kleinen hinauf in den Hort, der gratis ist, und wo sie von einer pensionierten Lehrerin, die sich noch was dazu verdient, beaufsichtigt werden.
Krista hat also insgesamt 25 Stunden in 8 Deutschklassen (v. Kl.6-12), 2 Stunden in der Klasse 1 und 2 Stunden im Kindergarten. Über Mangel an Beschäftigung kann sie nicht klagen.
Nach der 4. Stunde gibt es jeden Dienstag eine Lehrer/innen-Versammlung, wo in 15, 20 Minuten die wichtigsten schulrelevanten Dinge besprochen werden. Von den ca. 70-80 Kolleg/innen waren etwa 2/3 anwesend, geschätzte 10% sind männlich, darunter natürlich der Direktor und einer von 3 Stell-vertreter/innen. Auf dem Foto seht ihr, wie ich dem Direktor des Tabasalu-Gymnasiums vor versammelter Lehrerschaft für die Einladung danke, hier tätig sein zu können. Nachdem sich die Lehrer/innen kaum treffen, jede/r hat ja seinen eigenen Raum, während die Kinder oft 20 Minuten am Gangboden sitzen, wissen viele nicht allzu viel voneinander. Der Kaffeeraum ist praktisch immer leer und wird nur für kurze Infos genutzt, Alle zusammen sehen sie sich nur bei offiziellen Anlässen und bei den Viertelskonferenzen, weil das Schuljahr hier in vier Teile gegliedert ist.
Am Gang können sich die Lehrer/innen und Schüler/innen (von denen doch einige immer zu spät kommen), auf großen Schirmen darüber informieren, wo sie hingehen müssen, ob es Änderungen gibt, welche Klasse was hat, wo die Kolleg/innen gerade sind, etc.
Trotz der eher kühlen Temperatur von 5 Grad ging ich wieder laufen und wurde dabei von einem kurzen Hagelschauer überrascht. Hier am Meer wechselt das Wetter relativ rasch, denn kurz darauf schien schon wieder die Sonne. (Tja, wie im Leben!)
Danach holte mich Krista ab, um mir eine Grundschule (1.-6. Kl.) im benachbarten Vääna zu zeigen, die in einem alten Gutshof beheimatet ist, was nach den Enteignungen von Landgütern in den 20er-Jahren und dann natürlich später in der russischen Besatzungszeit in mehr als 60 Schulen der Fall war. Hier in dieser kleinen Schule würde wahrlich jede Lehrerin gerne unterrichten: Hohe Räume in einem geschichtsträchtigen Ambiente mit Kachelöfen in fast jedem Zimmer, originaler Einrichtung und einer herrlichen Parkanlage - und wenige Kinder pro Klasse.
Am Foto seht ihr z.B. das Zimmer der Lehrerinnen.
30.9.2009
Nachdem am Wochenende 13 Lehrer/innen aus 5 Staaten (Lux, F, PL, D und ?) zu Besuch kommen, wird es für sie ein kurzes "Konzert" am Freitag geben. Jetzt kommen mir meine minimalen Gitarrenkenntnisse zugute, und man hat mich gebeten, bei einem Lied der 6. Klasse zu begleiten, außerdem werden wir noch den "Gewinner-Song" beisteuern, wo die Lehrer/innen dann mitmachen müssen (was sie noch nicht wissen - hähä), und auf der CD mit den estnischen Hits habe ich einVersion von "Help me make it through the night" gehört. Ich habe mir den Text runtergeladen und nun werden wir auch das noch am Freitag zum Besten geben - "Gib des Bandl aus die Haar" - "Help me make it..." und "Aita mööda saata öö", jeweils eine Strophe. Ihr solltet mich mal estnisch singen hören!! Ist schon auf deutsch der reine Wahnsinn, aber erst auf estnisch! - Über möglich Wirkungen,.... gebe ich am Wochenende nach dem Konzert Bescheid.
Außerdem haben wir beschlossen, bei einem Theaterfestival am kommenden Mittwoch mitzumachen. Es gibt zwar keine Zeit zum Proben, aber "No risk, no fun", es gibt nichts zu verlieren. Zuerst muss man den Text (sprachlich und akustisch) aufbereiten, den Spaß hinter den Sketches erkenntlich machen und dann geht es ans Spielen. - Na ja, man wird sehen. - Auch darüber werde ich berichten.
Am Nachmittag fuhren wir dann in die Nationalbibliothek zur Preisverleihung eines Aufsatzwettbewerbes mit dem Namen Perplex. Die Einladung erfolgte von der österreichischen Botschaft und im Anschluss gab es eine kleine Jause.
Anschließend war ich mit Krista und einer österreichischen Kollegen in einer Pizzeria, wo es zum Erfahrungsaustausch unserer Erlebnisse in den bisherigen Wochen kam - willkommene Abwechslung.
Montag, 28. September 2009
27. und 28.9.2009 - Neues Heim und 1. Schultag
In Kristas Begleitung war auch Lea, eine Grundschullehrerin, die ihr bei verschiedenen Projekten hilft. Zuerst brachten sie mich zum Quartier, einer relativ großen Wohnung in einem alten Wohnblock, der gerade renoviert wird. Ich verfüge nun über einige Zimmer, deren Charme sich aber nicht wirklich entfalten kann, weil bis auf wenige Möbel nichts herinnen ist. Die Wohnung gehört der Gemeinde und ist für Leute gedacht, die auf irgendeine Weise eine Unterkunft brauchen, familiäre Probleme haben, o.ä. Aber es passt so weit, Bad und WC sind da, leider fehlen mit TV und Internet alle Kommunikationsmittel. Aber ich habe mir Lesestoff und Arbeit für das Theater mitgenommen, werde auch weiterhin laufen gehen, und ein paar Mal gibt es Einladungen und Veranstaltungen.
Im Anschluss daran zeigte mir Krista noch ihre Schule, sie ist relativ neu (1985 erbaut) und modern und liegt nur ca. 3 Gehminuten von mir entfernt, was doch sehr vorteilhaft ist. Sie hat einen eigenen Deutschraum, wie so viele Lehrer/innen hier eigene Räume und Klassen haben, wenn es möglich ist. Die Schüler/innen warten dann am Boden sitzend vor den jeweiligen Klassen, wenn die Lehrer/innen essen oder Kaffee trinken waren oder eine Freistunde hatten. Im Raum mit der Bezeichnung "Saksa Keel" (Deutsch) wurde ich auf einem Plakat bereits sehr herzlich willkommen geheißen.
Am Abend war ich dann noch mit den beiden Kolleginnen in einem kleinen Lokal essen. Die kommenden 14 Tage sind schon relativ verplant mit diversen Schulaktivitäten und Veranstaltungen. Näheres dann an den entsprechenden Tagen.
27.9.2009
Die erste Nacht im Wohnblock war doch gänzlich anders als die im abgelegenen Verevi-Motel, wo ich am Wochenende der einzige Gast im gesamten Haus war. Aufgrund der wenigen Möbel hallt natürlich alles viel mehr, auch die Geräusche vom Gang, meine Wohnung, liegt im Erdgeschoß, und von oben sind sehr gewöhnungsbedürftig. So dürfte man die Kinder der Familie im Obergeschoß gestern bis nach Mitternacht dazu genötigt haben, über glühende Kohlen zu laufen - so hat es sich zumindest angehört. Und das Komische daran ist, dass sie das auch gleich am Morgen wieder machen mussten. Zum Glück habe ich vor dem Wegfahren noch die Ohropax eingepackt, was den Lärm doch in eine wohltuendere Distanz rückte. In diesem Block logiere ich, und das Zimmer mit der Decke im Fenster (in Ermangelung eines Vorhangs) ist mein Schlaf- und Arbeitsraum.
Den Sonntag verbrachte ich alleine. Ich bereitete mich auf den Unterricht vor, las, hörte Musik und schrieb schon Teile meines Berichts. Am Nachmittag wurde es sehr schön und ich lief Richtung Meer, das man nach ein paar Minuten erreicht. Die Gegend hier ist doch etwas anders als im Süden, weniger Wald, offener, städtischer. Es gibt ein nettes Wandergebiet, wo man auf dem Kalksteinplateau ein paar Kilometer der Küste entlang laufen kann. Von den Klippen hat man einen wunderbaren Ausblick auf das Meer und Tallinn ist nicht weit weg. Das schöne Wetter nutzte ich dann, so wie viele andere Menschen, um noch einmal hierher zu kommen und die bereits herbstlich wirkende Stimmung zu fotografieren. Das war gut so, denn eine halbe Stunde später kamen Wolken und Wind.
Heute war übrigens noch Waschtag, und Einkaufen war ebenfalls angesagt, weil ich hier ja auch für das Frühstück selber sorgen muss (leider gibt es auch keinen Kühlschrank). Die Supermärkte haben übrigens auch am Sonntag von 9 bis 21 Uhr offen.
28.9.2009
Der erste Schultag verging trotz der 7 Stunden hintereinander relativ rasch und bis auf wenige Ausnahmen sind die Schüler/innen auch hier recht nett und freundlich. Wie in Elva ging es in den ersten Einheiten einfach ums Kennenlernen und Spielen.
Freitag, 25. September 2009
25. und 26.9.2009 - Abschied und Übersiedelung
Die letzten Stunden habe ich zum Singen und Spielen in den Klassen verwendet. Als ich mit den beiden Deutschkolleginnen nach der 5. Stunde im Schülercafe saß, kamen reihenweise Schüler/innen herein, um sich persönlich zu bedanken und zu verabschieden, was ich als überaus nett und wertschätzend empfand. Auch der Verabschiedung der Kolleginnen, mit denen ich am meisten Kontakt hatte, war sehr herzlich und so gar nicht "estnisch" zurückhaltend, denn sie drückten mich alle liebevoll ans Herz. Dem Direktor sprach ich noch einmal meinen herzlichen Dank aus für die Einladung und die Möglichkeit des Unterrichtens an seiner Schule. - Es war eine schöne und bereichernde Erfahrung! - Danke an alle!
Auf jeden Fall fahre ich mit 2 Kaffeehäferln, einem Buch über Estland, einem Schul-T-Shirt, einem USB-Stick, einer CD mit den estnischen Top-Hits, einer Flasche Kräuterschnaps und einer Packung Konfekt mehr im Gepäck weiter.
Am Abend war ich dann noch bei Tiiu und ihrer Familie zum Essen eingeladen, wo ich einmal mehr die Gastfreundschaft der Esten erleben konnte.
26.9.2009
Am Vormittag brachte mich Tiius Familie zum Bus nach Tartu, wo wir nach knapp 14 Tagen auf Wiedersehen sagen mussten. Mein Dank gilt besonders auch ihr, denn sie war in allen Stunden in der Klasse, kopierte die Blätter, die ich für den Unterricht benötigte, und fungierte als Übersetzerin, wenn es mal ausnahmsweise auf Englisch auch nicht mehr weiter ging oder zu kompliziert war. Außerdem checkte sie im Hintergrund viele Dinge und organisierte einen Teil meines Freizeitprogrammes.
Nach 2 1/2-stündiger Fahrt kam ich um 13:30 in Tallinn an, wo ich schon von Krista, der für mich zuständigen Lehrerin am Tabasalu-Gymnasium, erwartet wurde.
Donnerstag, 24. September 2009
24.9.2009 - Theateraufführung und Österreich-Plakate
Die 11. Klasse spielte den anderen die beliebten "Aschenbrödel"-Geschichte vor, und ein paar Schüler der 12. zeigten gemeinsam mit ihrer Lehrerin "An allem ist die Katze schuld".
Und wenn auch nicht alles glatt ging bzw. nicht jeder Satz verstanden wurde, so war es doch überaus lustig und unterhaltsam.
Vielleicht an dieser Stelle etwas zum Sprachunterricht: Die A-Sprache, also die erste Fremdsprache, was bei den meisten Englisch ist, erlernen sie ab der 3. Kl., die B-Sprache (80% noch immer Russisch, was sie aber auch nach 6 Jahren nicht können) ab der 6. Kl., und wer das Gymnasium besucht, muss noch eine dritte Sprache in der 10. Klasse beginnen.
Für die 6. Klassen, also die absoluten Anfänger der B-Sprache, habe ich heute ein Arbeitsblatt mit einigen wichtigen Fakten über Österreich erarbeitet und dann Plakate erstellen lassen. Das Endprodukt seht ihr auf dem Foto. Bis auf wenige Namen und Dinge, wie Wien, Salzburg, Mozart(kugeln), Schwarzenegger (Terminator) und Red Bull, ev. Berge, H. Maier, weiß man hier nicht zu viel über Österreich, was mich aber nicht weiters erstaunt, denn bei einer Umfrage über Estland würde man bei uns wohl auch nur Schweigen ernten. - Nur ein Junge aus der 7. Klasse kannte alle Schispringer beim Namen. Der Grund liegt darin, dass er einer der besten seiner Altersgruppe in Estland ist (auch in Elva gibt es eine kleine Sprungsschanze) und er "unsere Adler" bei einigen Trainingslagern und Konkurrenzen schon gesehen hat. Seine persönliche Bestleistung liegt bei 130 Metern!
Es ist wirklich interessant, wie schnell einem manche Klassen ans Herz wachsen, und es stimmt, so blöd das auch klingen mag, ein wenig Wehmut mit, von dieser Schule Abschied nehmen zu müssen. Ich erhielt viel positive Resonanz von den Schüler/innen und es war schön, sie ein ganz kleines Stück ihres Schulweges begleiten zu dürfen.
So, bevor es zu pathetisch wird, ein kleine Geschichte über die älteste Lehrerin an der Schule. Nachdem die Bezahlung trotz der wirklich guten Ausbildung und des vorbildlichen Einsatzes der Kolleg/innen nicht besonders gut ist, gibt es in manchen Gegenden Estlands, vornehmlich am Land, Probleme, Lehrer/innen für bestimmte Fächer zu finden. Der Staat lockt, so wie bei uns früher, junge Kolleg/innen mit einer Prämie an, damit sie in diese Gebiete kommen. Sie erhalten 14.000 Euro, die Hälfte davon im ersten Jahr, den Rest in den beiden darauf folgenden. Und manche Lehrer/innen entscheiden sich, auch über das normale Pensionsalter hinaus, weiter in der Schule zu bleiben - das machen manche deshalb, weil sie neben ihrem Lehrereinkommen auch noch die Rente beziehen können. Nun zur Elva-Schule: Die älteste Kollegin ist, sage und schreibe, 74 Jahre alt und unterrichtet zu ihrer und auch zur Freude der Kinder immerhin 8 Stunden Estnisch. Dabei ist sie höchst beliebt und auch in den schwierigen 7. und 8. Klassen gerne drinnen. Sie wird als Schuloma verehrt und dürfte sonst ebenfalls eine bemerkenswerte Frau sein, denn sie hat mit 70 den Führerschein gemacht!
Mittwoch, 23. September 2009
22. und 23.9.2009 - Allerlei und Exkursion
Heute bekam ich endlich eine Gitarre und konnte die 17- und 18-Jährigen mit den einmaligen deutschen "Fegern" und Songs wie "Komm, hol das Lasso raus" und "Ein kleiner Matrose" zum Mitsingen und Mitmachen animieren. Es war einfach ein Spaß zu sehen, wie motiviert sie bei der Sache waren.
Oiso, i find des super! ;-)
Mit der 12. Klasse habe ich "An allem ist die Katze schuld", einen kurzen, schrägen Sketch erarbeitet, und so wird es am Donnerstag gemeinsam mit der 11. und 10. D-Klasse eine kleine Theateraufführung geben, worauf ich schon sehr gespannt bin.
Das Ende der Pausen wird hier übrigens zweimal eingeläutet und zwar mit einer netten Melodie, was ich für durchaus nachahmenswert empfinde. Hingegen durchdrang beim gestrigen Feueralarm ein ohrenbetäubender Ton das Schulgebäude. In diesem Fall mussten sich alle Schüler/innen draußen bei ihren Lehrer/innen klassen- und gruppenweise versammeln, was äußerst gut funktionierte. Später stellte sich heraus, dass es kein Probe-, sondern ein falscher Alarm war, der von einem Schüler ausgelöst worden war. Der Direktor war ziemlich wütend, weil die Schule für das unnötige Ausrücken der Feuerwehr bezahlen muss.
Apropos Pause: Ich habe schon geschrieben, dass in drei Etappen gegessen wird. Und das geht wirklich total schnell. Kurz bevor die Pause beginnt, stellt das Küchenpersonal das Essen auf die Tische, die Kinder wissen, wo sie sitzen, und so sind sie meistens nach 10 Minuten schon wieder fertig. Es ist übrigens gratis und auch Lehrer/innen machen von dem staatlich kontrollierten und nach einem Ernährungsplan abgestimmten Essen Gebrauch. Am Ende tragen alle ihr Geschirr zurück und gehen wieder in die Klassen.
Das System der sog. E-Kool, der E-Schule, des elektronischen Klassenbuches wird hier, wie bereits in der Mehrheit der estnischen Schulen, schon seit Jahren eingesetzt. Gab es anfangs wie überall Widerstände und Zweifel in der Lehrerschaft, so sehen es heute die meisten Kolleg/innen doch als sehr sinnvoll an. Es entfällt die Schreiberei im Klassenbuch, das oft nicht auffindbar ist. Voraussetzung ist aber in jeder Klasse ein Computer, wo man sich im System einloggen muss. Die unterrichtenden Lehrer/innen können nun entweder gleich bzw. auch zu Hause die Fehlenden, den durchgenommenen Stoff, die Hausaufgaben und ev. Prüfungen, Termine, etc. eintragen. Die Eltern haben (ebenso wie die Kinder und Jugendlichen selbst) die Möglichkeit, sich über die Leistungen ihrer Sprösslinge Informationen einzuholen, was HÜ ist, ob sie in der Schule waren, usw. Natürlich werden jetzt manche sagen, ja, aber die Eltern, die nicht wollen, erreicht man nicht.... Das stimmt natürlich zum Teil, aber vielleicht schauen manche doch rein, und interessierte Eltern können sich so auch abgesehen vom Sprechtag ein Bild über ihr Kind machen.
Am Abend war ich bei Kai, der Psychologin, und ihrer Familie zum Essen eingeladen. Die Küche unterscheidet sich übrigens, wie vielleicht schon erwähnt, nur sehr wenig von unserer und der deutschen, die bedingt durch die Geschichte einen starken Einfluss auf die estnische hatte. So sind Blutwurst, Schweinsbraten und Schnitzel ganz bekannte und beliebte Gerichte. Bei ihr gab es kalte Küche mit kleinen Häppchen - und zu meiner Überraschung auch eine Einladung in die Sauna. Später kamen noch die Geschichtslehrerin und deren Mann zu Besuch und es entwickelte sich ein interessantes Gespräch über das Elva-Gymnasium und das estnische Schulsystem an sich. Den 10-minütigen Heimweg trat ich bei leichtem Nieselregen (laut Reiseführer gibt es hier zw. 160 und 180 Regentage pro Jahr - was bin ich doch für ein Glückspilz) zu Fuß an, weil die Esten eine 0,0-Promillgrenze haben, und sich die Leute, auch aufgrund hoher Strafen, strikt daran halten - zumindest diejenigen, mit denen ich Kontakt hatte. Einer der Gäste erzählte zum Beispiel, dass er bei einer Kontrolle einmal 0,09 hatte, also zu viel, und dafür 1500 Kronen (ca. € 110,-) zahlen musste.
23.9.2009
Der heutige Tag war mit einer ganztägigen Exkursion der äußerst netten 12. Klassen, die ich begleiten durfte, ausgefüllt. Die Hälfte der Kosten übernimmt die Schule.
Wir fuhren zuerst zu einem abgelegenen Bauernhof namens Tammsaare in Mittelestland .
Dort war der hier in Estland sehr berühmte Schriftsteller Anton Hansen aufgewachsen, später fügte er seinem Namen noch das Tammsaare hinzu, unter dem er dann auch berühmt wurde. Sein bekanntestes Werk, das auch alle Schüler/innen zumindest teilweise lesen müssen, heißt "Wahrheit und Gerechtigkeit" und gliedert sich in 5 Bände. Hansen beschreibt das harte bäuerliche Leben anfangs des vorigen Jahrhunderts, über die Feindschaft mit Nachbarn, die Sorge um eine Nachfolge, weiters über das Schulleben, die russische Revolution, das Leben in der Stadt und die Rückkehr auf den Bauernhof, aber auch über die Liebe, die Natur, Gott und die Welt. Im Museum kann man auf den Spuren der damaligen Zeit wandeln. Es sieht so aus, wie auf den Bauernhöfen bei uns vor etwa 100, 150 Jahren.
Auf dem Foto seht ihr eine typische Dorfschaukel, wie sie auch heute noch zu finden sind, die für die Burschen der 12. Kl. eine willkommene Abwechslung darstellte.
Beim 2. Teil, es stand eine Molkerei bzw. ein Milchmuseum am Programm, zog ich das Kaffeehaus vor, weil ich den Geruch nicht aushalte.
In den Gesprächen mit den beiden Begleitlehrerinnen bzw. aus dem englischen Estlandbuch erfuhr ich folgende interessante Dinge: Wie bereits berichtet, lieben die Esten das Singen, auch viele junge Leute sind in einem Chor. So wurden auch in der Okkupationszeit der Russen (auf die niemand, den ich getroffen habe, gut zu sprechen ist) die alten Lieder beibehalten, wobei viele davon verboten waren. Lobpreisungen des Kommunismus waren angesagt. Ein Kuriosum am Rande: Beim 100-jährigen Sängerfest 1969 mussten alle Kornblumen (Nationalblume der Esten) umgespritzt werden - die Russen befahlen, dass sie rot sein mussten. Kein Wunder also auch, dass 1988 der Keim zur Unabhängigkeit bei einem Sängerfest gelegt wurde, als es zur größten Massenveranstaltung in Estland kam. 300.000 Menschen (1/3 des Landes) versammelten sich und sangen die eigenen Lieder. Dies fand als "Singende Revolution" Einzug in die Geschichtsbücher des Landes. Aber erst im Aug. 1991 war Estland dann endgültig frei.
Apropos Russen: Vor dem 2. Weltkrieg war der Anteil der Esten im Land bei 88%, er sank während der Integration ins Sowjetregime auf unter 60% (bedingt durch Deportationen auf der einen Seite und aggressive Besiedelungspolitik durch russische Arbeiter im Land) und heute hält man bei etwa 80%.
Zum Schluss der heutigen Estlandnachhilfestunde vielleicht noch ein Detail am Rande, was die Sprache betrifft: Im gesprochenen Estnisch gibt es 45% Vokale! Die Sprache wirkt daher relativ melodiös.
Montag, 21. September 2009
21.9.2009 - Seminar mit Deutschlehrerinnen
Sonntag, 20. September 2009
19. und 20.9.2009 - Rundfahrten, Einladungen und Saunas
19.9.2009
Zuerst holten mich Tiiu, ihr Mann und ihre Tochter am Samstag Vormittag ab und wir starteten zu einer Rundfahrt durch Südestland, die letztendlich 6 Stunden dauern sollte. Den Beginn machte der Besuch eines Ortes mit Kuranlage, die sehr idyllisch am so genannten heiligen See liegt. Nachdem das Wetter wieder sehr schön war, spazierten wir ein wenig durch das Gelände und warfen einen Blick in das Kurgebäude, das auch sehr beliebt ist bei finnischen Pensionisten.
In Voru machten wir einen Abstecher zur neu angelegten Seepromenade, wo im Sommer am feinen Sandstrand sicher eine Menge los ist. Hier in der Umgebung gibt es noch die Volksgruppe der Setu mit eigenem Dialekt und eigenen Traditionen. Mit einer Anzahl von etwa 8000 Personen sind sie aber im Verschwinden begriffen.
Nach dem Mittagessen fuhren wir dann zum höchsten Berg Estland im Haanja-Naturpark, dem Suur Munamägi. Er war schnell erklommen, denn vom Parkplatz weg geht man max. zehn Minuten, bis man vor dem Aussichtsturm steht, bei dem man zwischen der Liftvariante (€ 3,50) und der Zu-Fuß-Variante (1 1/2 Min.) wählen kann. Meine Begleiter waren - man verzeihe mir das an dieser Stelle - schon völlig außer Atem wegen der Höhenluft, nahmen aber, nachdem ich mich für die Stiegen entschieden hatte, auch diesen Weg hinauf. Von oben hat man einen schönen Rundblick auf ganz Südestland, und es ist unglaublich, wie viel Wald hier ist. Man sieht praktisch nichts Anderes soweit das Auge reicht. Ach ja, der Berg ist 318 m "hoch".
Den Abschluss bildete ein kurzer Spaziergang zu den Sandsteinhöhlen im ursprünglichen Tal des Ahja-Flusses in Taevaskoja, wo man wandern und Kanu fahren kann.
Bei der Rückreise kamen wir wieder durch Ötepää durch, wo es ein Trainingszentrum für's Langlaufen, eine der beliebtesten Sportarten Estlands, gibt. Jedes Jahr findet in der Umgebung, von wo auch die beiden Weltklasseläufer Andrus Verpaluu und Jak Mae abstammen, ein Langlaufmarathon mit Tausenden Startern aus aller Welt statt.
Zu Hause ging ich noch eine knappe Stunde im T-Shirt laufen und wurde um 7 Uhr vom Direktor der Schule abgeholt. Er versteht Deutsch und seine Frau ist D-Lehrerin und Stellvertreterin an einer anderen Schule.
Nach dem Essen ging ich mit dem Direktor in die Sauna und danach plauderten wir noch einige Zeit über die Schule, unsere beiden Länder und dies und das. Bei der Verabschiedung gab mir die Hausherrin noch ein großes Stück Kuchen für das Frühstück mit. ;-)
Das Foto haben wir am SO Vormittag nachgeholt.
20.9.2009
Ein denkwürdiger Tag, denn heute waren wegen des Radmarathons (über 5.000 Teilnehmer!) einige junge Leute beim Frühstück. Um 1/2 12 traf ich mich mit Revo, dem Geschichtslehrer der Schule, zum Radfahren, und Lilia, die D-Lehrerin, brachte mir dankenswerter Weise das Rad ihres Mannes vorbei. Man bemüht sich sehr, mir meinen Aufenthalt angenehm zu machen und mich nicht allein zu lassen.
Tja, man lernt nicht aus. Übrigens, damit ihr wieder ein estnisches Wort erlernt: Prost auf Estnisch heißt Terviseks, was angeblich vom Lateinischen kommt und Prosit heißt. Wenn man aber das Wort zerlegt, dann heißt es Tervis - Gesundheit und Seks - Sex, was ja auch laut Angabe der Esten beides wichtig sein soll.
Freitag, 18. September 2009
18.9.2009 - HS Litschau, Psycholog/innen und Brahms
In den ersten beiden Stunden zeigte ich den 6. Kl. abgesehen von der Powerpoint-Präsentation über Österreich auch das mit meiner Klasse selbstgedrehte Kurzvideo mit dem Rundgang durch unsere Schule, was ebenfalls großen Anklang fand. Nachdem sie auf einem der Fotos die kurze Übung mit dem Kreissitzen (nur auf den Oberschenkel des Nachbarn) gesehen hatten, wollten sie das auch probieren - es funktionierte auch hier.
Neben einigen anderen Übungen mussten die Schüler/innen der 10. Klasse durch Fragen die Person erraten, deren Zettel an ihrem Rücken befestigt war.
Mittwoch, 16. September 2009
17.9.2009 - Powerpoint, Big Boody und Klassen 11 und 12
Dieses Video wollte ich euch nicht ersparen! Jetzt hat nämlich der Upload von der Sängerbühne in Tallinn funktioniert. Da müsst ihr durch!
Heute hatte ich zum ersten Mal die 11. und 12. Klassen und wie auch bei den anderen muss ich sagen, dass sie mich sehr nett und freundlich empfangen haben, wohl auch deshalb, weil so ein "Eingeborener" sicher eine willkommene Abwechslung darstellt. Das wäre ja bei uns auch nicht anders. Ich konnte mit Powerpoint-Präsentationen über Österreich (etwas Geschichte und Geographie), das Waldviertel und über mich punkten. Besonders lustig fanden sie die Bilder vom Theaterspielen. Aber durch dieses Vorstellen, durch verschiedene Interviews und auch Spiele für die Anfänger (wie z.B. Big Boody - das ist auch hier ein Hit!) ist es doch gelungen, sie ein bisschen zu aktivieren. Sie sind wie unsere Schüler/innen schüchtern, wenn es darum geht sich verbal in einer für sie fremden Sprache auszudrücken.
Um auf den Kommentar von Martin von gestern zu antworten: Natürlich gibt es hier auch Männer, allerdings sind es nur 6 oder 7 im Lehrkörper, davon der Direktor und einer von 4 Vizedirektor/innen. Und die Mädchen sind auch hier ein wenig reservierter als die Jungs, aber man kann sie doch zum Lachen bringen. Generell, egal ob Burschen oder Mädchen ist es schön, positiv aufgenommen zu werden und zu merken, dass ihnen die Stunden gefallen.
Bei der heutigen Lehrerversammlung in einer 20-Minuten-Pause gab man mir die Möglichkeit, mich für die Einladung in die Schule zu bedanken und das Schulsystem und die Kinder und Jugendlichen zu loben. Ich bin dieser Aufgabe gerne nachgekommen, weil das ja auch stimmt, und habe Grüße aus Österreich übermittelt.Wie bereits beschrieben, besteht die Schule aus zwei Häusern, die ca. 10 Min. voneinander entfernt liegen. Die Schüler/innen können gestaffelt im Speisesaal essen gehen und haben von der 3. bis zu 5. Stunde je 20 Minuten Zeit dafür. Das Essen für sie ist gratis, es gibt abwechselnd Suppe und Dessert, am nächsten Tag einen Braten o.ä. Die älteren Schüler/innen können sogar zweimal essen gehen, wenn sie möchten.
Hier noch ein Relikt aus der Sowjetzeit - die Schulglocke.
Das Wetter ist wieder ausgezeichnet und ich habe ihnen das Sprichwort "Wenn Engel reisen...." gelernt. ;-)
Den Rest des Tages verbringe ich wieder mit Vorbereitungen, Laufen und Lesen.
16.9.2009 - Universitätsstadt Tartu
Als erstes Feedback kann ich anbieten, dass ein ganz schüchternes Mädchen nach der Stunde zur Lehrerin gegangen ist und meinte, es wäre eine sehr interessante Stunde gewesen. Und eine andere D-Klasse hat sich beschwert, warum sie nicht den österreichischen Lehrer hätten. Heute habe ich noch 3 Stunden dazu bekommen - die 12. Klasse der Kollegin, das sind 18-Jährige, die ich morgen kennenlernen werde.
Nach einer Laufrunde fuhr ich in Begleitung von Tiiu mit dem Bus nach Tartu, der ca. 25 km entfernten Universitätsstadt. Zuerst gingen wir zum deutschen Kulturinstitut und eine Dame zeigte uns die schönen Räume, in denen Deutschlehrer Materialien ausleihen können und es deutsche Filme, Vorträge und Lesungen gibt.
Dann trafen wir uns mit Tiius Tochter Helen, die gerade von einer Jus-Vorlesung kam und die es sich nicht nehmen ließ, mich in ausgezeichnetem Englisch durch die Stadt zu führen. Ebenso wie ihre 17-jährige Schwester hat sie ein sehr gutes Gymnasium hier besucht, was man an ihrem umfassenden Wissen, auch um die Stadt Tartu selbst, bemerkt. Sie ist also auch eine der vielen Student/innen der zweitgrößten Stadt Estlands.
Es wimmelt nur so von jungen Leuten und es gibt eine fröhliche Grundstimmung. Es gibt 20.000 Studenten und viele Bewohner haben daher direkt oder indirekt mit den Universitäten zu tun.
Interessant ist vielleicht auch, dasss Tartu während der Sowjetzeit jahrzehntelang abgeschirmt war, weil hier ein Militärflughafen war. Erst mit der Öffnung begann sich das Leben zu normalisieren, und wenn auch viele über die niedrigen Löhne klagen, so möchte niemand die alte Zeit zurück.
Hier noch ein Foto vom schönen Rathaus in Tartu.
Dienstag, 15. September 2009
15.9.2009 - Tag 1 in der Elva-Schule
Einige Schüler/innen haben mich schon am ersten Tag, obwohl sie mich noch nicht kannten, auf Deutsch, zumindest mit "hallo", begrüßt.
Ich habe heute 17-jährige und 13-jährige Anfänger sowie 15-jährige gehabt und bis auf eine etwas "besondere" Burschenpartie in der letzten Stunde waren alle durchaus offen, sodass ich sie mit ein paar Spielen ins Gespräch bringen und das Eis brechen konnte. Interessanterweise waren die älteren Schüler/innen weniger gehemmt als die mittleren, die schon 2 Jahre Deutschunterricht hatten.
Bei einem Kurzbesuch im Direktorszimmer wurden mir ein Häferl, ein Estland-Puzzle und ein Estland-Buch (auf E) an Gastgeschenken überreicht, was ich sehr nett fand.
Links die beiden D-Kolleginnen Lille und Tiiu und rechts der Direktor der Schule, der auch ein wenig Deutsch kann.
Nach dem Essen wurde ich noch von Tiiu zu Kaffee und Kuchen eingeladen und dann ins Motel gefahren, wo ich wieder mein 20m²-Zimmer bezog. Vor dem Vorbereiten für die nächsten Tage ging ich noch kurz laufen und verbrachte die restliche Zeit in meiner "Suite", da es hier in der 6.000-Einwohner-Stadt eigentlich nicht wirklich viel zu sehen gibt. Es gibt kein Zentrum, nur eine "Hauptstraße", wo ein paar Geschäfte ihre Waren anbieten. Viele Leute fahren aber die 25 km nach Tartu, in die nächste große Stadt.
Montag, 14. September 2009
14.9.2009 - Botschaftsempfang, Konferenzen, Nationalbibliothek und Zugfahrt nach Tartu
Nach dem wirklich schönen Wochenende beginnt nun die Arbeit.
Heute waren wir am Vormittag zu Gast in der österreichischen Botschaft, wo es in verschiedenen Vorträgen um das estnische Bildungssystem, D-Unterricht an den Schulen, bilingualen Unterricht (v.a. russisch / estnisch) und den Verband der D-Lehrer/innen Estlands gab.
Auf dem Foto: Die österreichische Delegation mit der äußerst netten Botschafterin Dr. Angelika Saupe-Berchtold.
Vielleicht an dieser Stelle für die interessierten Kolleg/innen ein paar Fakten (die anderen können ja weiter unten fortsetzen):
-) Die "richtige" Schule beginnt für die Kinder mit 7 und sie bleiben bis 16 gemeinsam in den Klassen (Kl. 1.-9.). Wer möchte, und das tun 60%, geht weiter bis zur 12. ins Gymnasium.
-) Die Zentralmatura gibt es hier schon 11 Jahre und auch die Schüler/innen, die mit 16 aufhören, machen eine zentrale Abschlussprüfung.
-) Alle Lehrer/innen haben eine Fortbildungspflicht von 150 Std. in fünf Jahren (= 30 p.a.)
-) Die Schulen genießen eine extrem hohe Autonomität: Die Schule stellt den eigenen Lehrplan zusammen, kann ein eigenes Benotungssystem einsetzen, sie hat einen eigenen Budgethaushalt und Mitarbeiter, inkl. Lehrer/innen, werden vom Direktor angestellt.
-) Ab der 6. Klasse (12, 13 J.) lernen die Schüler/innen eine 2. Sprache, mit 16 eine dritte.
Apropos Sprache: Im Estnischen gibt es aufgrund des deutschen Einflusses in der Geschichte etwa 10% an Lehnwörtern, wie z.B. mütz, saal, klass, trepp, printsess, pirn, supp, eesel, kleid, buss,....
Gesprochen wurde auch über das etwas belastete Verhältnis zur russischen Bevölkerungsgruppe, von denen viele trotz der langen Zeit noch immer nicht estnisch können. Nachdem sich das auch auf die Kinder auswirkt, ist eines der Bildungsziele, dass in den nächsten Jahre alle Schüler/innen estnisch so weit beherrschen, dass sie zumindest B1-Standard oder höher haben. In manchen Teilen Estlands, wie im Nordosten, wo es noch mehr Industrie gibt, ist das Verhältnis Russen zu Esten genau umgekehrt, nämlich 80:20, was natürlich einige Probleme mit sich bringt. Aber es wird daran gearbeitet und bedarf sicher noch einiger Zeit.
Auf dem Bild seht ihr meine Kollegin Krista, mit der ich im 2. Teil meines Aufenthalts zusammen-arbeiten werde. Sie ist die Vorsitzende des Verbandes der estnischen Deutsch-Lehrer/innen.
Am Nachmittag waren wir noch in der Nationalbibliothek, wo wir eine Führung hatten und uns den österreichischen Lesesaal ansehen konnten. Ja, so etwas gibt es da, ich habe in einem Buch sogar ein Bild von Heidenreichstein gesehen und sofort stolz hergezeigt.
Anschließend fuhr ich mit einer Mitarbeiterin des Bildungsministeriums, Frau Katrin Rein, die alles für unseren Aufenthalt perfekt organisiert hatte, mit dem Zug nach Tartu. Auch hier ist WI-FI (W-Lan) vorhanden und einen Teil des Berichtes habe ich während der 2 1/2-stündigen Fahrt geschrieben.
In Tartu holte mich Tiiu, meine Kollegin der Schule in Elva ab. Sie ist, wie alle anderen Menschen, mit denen wir Kontakt hatten, äußerst nett. An dieser Stelle muss auch angemerkt werden, dass das Deutschniveau der Lehrerinnen sehr hoch ist.
Sie brachte mich mit ihrem Mann zum Motel Verevi, wo ich ein eher kleines Zimmer für die 14 Tage bezogen habe. Es gibt keinen Schrank, ein Bett mit zwei Nachtkästchen, einen Sekretär, wo mein Laptop raufpasst und Bad/WC. Mein Gewand hängt nun am Kleiderständer oder liegt am Bett bzw. wird im Koffer verbleiben.
Nun bin ich schon neugierig auf meinen ersten Schultag, wenn ich mit den Kindern arbeiten werde. Nähere Berichte und erste Eindrücke gibt es dann morgen.
Tere ohtust! (Guten Abend)
13.9.2009 - Schloss Kadriorg, ein Waldviertler Lied auf der Sängerbühne und Treffen mit den österr. Kolleginnen
Zuerst spazierte ich durch den 100 ha großen Park, traf wie gestern früh etliche Nordic Walker, Jogger und Biker, und suchte dann gleich noch meinen Weg weiter zur Sängerbühne. Die ist für ganz große Sängerfeste (wär was für Koll. Wendl!) gedacht, die nur einmal in fünf Jahren stattfinden, was heuer der Fall war. Dann steht auf der riesigen Bühne ein Chor mit bis zu 25.000 Sängerinnen und Sängern, was sicher imposant wirken mag. Ich stieg die 40 Stufen empor und stimmte das Lied "Im Woidviertler Woid" an - leider ohne Zuhörer oder Zuschauer, aber immerhin.
Das ist nicht, was ihr denkt, sondern ein ganz simpler Busbahnhof.
In einem riesigen Einkaufszentrum, die meisten Geschäfte haben auch am SO offen, versuchte ich ganz normale, weiße T-Shirts zu kaufen, was nicht möglich war, weil nur Marken- und Modegeschäfte (Esprit, CK, Zara, ...) zu finden waren.
Samstag, 12. September 2009
12.9.2009 - Langer Hermann, Dicke Margarete und die 3 Schwestern
Man braucht etwa zwei Stunden, um sich das ganze Areal mit seinen Häusern und Bauten anzuschauen. Der Fokus liegt hauptsächlich auf der Darstellung des bäuerlichen Lebens in den einzelnen Regionen des Landes, aber auch WIndmühlen, eine Kirche und eine Schule sind u.a. zu begutachten. In einigen davon sind Leute in Originalkostümen zu sehen und sie sind teilweise froh, wenn man ein paar Worte mit ihnen spricht. Ich habe daher sofort mit meine Estnisch-Kenntnissen gepunktet und das Herz einer ca. 70-Jährigen im Sturm erobert, als ich zu ihr "Tere hommikust" (Guten Morgen) sagte. Sie konnte aber nicht nur Estnisch, sondern auch Englisch und Deutsch, und so ergab sich ein nettes Gespräch.
Übrigens: Lehrer/innen beschwert euch nicht über euren Job! - Vor 120 Jahren war das Unterrichten ein Beibrot und man konnte davon alleine nicht leben (so wie bei uns). Der Hauptteil der Einnahmen entstammte der kleinen Landwirtschaft, die der Lehrer betrieb. Außerdem war er verpflichtet, dem Pfarrer zu assistieren, den Chor zu leiten und Theateraufführungen auf die Beine zu stellen.
Interessant ist auch, dass bei jedem Hof eine Sauna dabei war, und es auch heute noch das "Must-have" zu sein scheint! Man betitelte die Sauna auch als den Doktor der Bauern.
Die Beschriftungen sind hier übrigens vorbildlich: Estnisch, Russisch, Englisch und Deutsch.
Man beachte dieses Schild (besonders das mittlere unten), das ich vor der Rocca al Mare-Schule gesehen habe und für die Grünanlage gilt.
Dann mit dem O-Bus wieder zurück ins Zentrum und sofort rauf auf den Domberg bei herrlichem Wetter (nur mit T-Shirt im Gegensatz zu etlichen Esten, die mit Jacke und Pulli unterwegs waren - was machen die im Winter?). Von oben hat man einen guten Blick auf die Stadt, das Meer und .... die vielen Touristen.
Was habe in der Innenstadt noch gesehen: Die Domkirche, den "Langen Hermann" (ein 45 m hoher Turm), die Nevski-Kathedrale (russ.-orthodoxe Kirche, die bei den meisten Esten nicht so beliebt ist), Rathausplatz (mit Preisen in den Gasthäusern, die Wien übertreffen), viele schöne Gilde-, Bürger- und Handelshäuser, dann bei etwas Regen die "Dicke Margarete" (eine meterdicke Stadtpforte), die "Drei Schwestern" (drei unterschiedliche Häuser, die heute zu einem Hotel verbunden sind), etc.
Nachdem der Regen noch immer leicht anhält (woher kommt der eigentlich, es ist rundherum hell), gehe ich kurz ins Hotel zurück und treffe mich dann um 17 Uhr beim Rathaus mit Krista, in erster Funktion Vorsitzende des Estnischen Deutschlehrerverbandes, in zweiter "meine" Lehrerin, bei der ich in Tabasalu die 2. Hälfte meines Aufenthaltes verbringen werde. In einem kleinen Cafe plaudern wir über unsere Länder, ihre Schule, ihre Klassen und dies und das. Nach zwei Stunden verabschiede ich mich, um mit einer österreichischen Kollegin essen zu gehen. Um 1/2 10 ins Hotel zurück und den Tag Revue passieren lassen.
Head ööd! (Gute Nacht)